Die Ausweisung des "NSG Rhinplate und Elbufer südlich Glückstadt" mit einer Fläche von 460 ha erfolgte am 05.12.2000.
Durch Ebbe und Flut sowie dem veränderlichen Salzgehalt kommen hier hochspezialisierte Tier- und Pflanzenarten vor. Die Insel wird auch heute noch oftmals ganzflächig überspült.
Im Strömungsschatten der Insel verläuft die Glückstädter Nebenelbe. Hier findet man bedrohte Fischarten wie z.B. Nordseeschnäpel, Rapfen, Finte und Meerneunaugen. Auf den Watt- und
Röhrichtflächen rasten und brüten seltene Vogelarten. Auf den höher gelegenen Bereichen wachsen tidebeeinflusste Weidegebüsche und Auwälder. Auf den aufgespülten Flächen haben sich großflächig
trockene Magerrasenflächen ausgebildet.
Aufgrund seiner Bedeutung für besondere Arten wurde das NSG in das EU-Natura 2000 Netz aufgenommen.
Foto 1 bis 20: ©Sybille Petersen
Foto 21 bis 25: ©Gerrit Günther
Von Dr. Sybille Petersen, Glückstadt, frühere 1. Vorsitzende und jetzt Ehrenvorsitzende der NABU-Gruppe Glückstadt
Geschichte:
1976, nach der großen Sturmflut, beschloss die Stadt Glückstadt, das Vorland vor dem alten Deich (errichtet 1653) als Industrieerwartungsland mit sandigem Material aus der Elbe aufspülen zu lassen. Auf Initiative von Frau Doris Meyn, Hobbyarchäologin, wurde vom Landesamt für Vor- und Frühgeschichte süd-östlich von Glückstadt, Höhe Herrendeich, eine Probegrabung durchgeführt, bei der Reste der Wüstung Nygenstad bi de Elve entdeckt wurden, untergegangen 1402. 1977 verschwand die Grabungsstelle unter einer 3 m dicken Sandschicht. Aufgespült wurde eine 160 ha große Fläche und durch einen Sandfangzaun gesichert. Nicht überspült wurde das Bielenberger Wäldchen und eine kleinere Fläche nord-westlich des sogenannten „Kakaograbens“. Der Name bezieht sich auf die braune Verfärbung des Wassers, hervorgerufen durch die damaligen Abwässer der Firma Temming.
Für das aufgespülte Gelände fanden sich keine Interessenten und es wurde sich selbst überlassen. Um die Entwicklung von Feuchtbiotopen zu verhindern, wurde das Gebiet 1982 entwässert, mit der Folge, dass sich nun neben immer noch sumpfigen Arealen eine ausgedehnte Trockenrasenflur auf den sandigen Flächen entwickelte. Damit verwandelte sich das sogenannte „Spülfeld“ in „ein biologisches Kleinod der Extraklasse“ (Zitat Prof. Klaus Dierßen, Kiel, in LOGO 12/89) mit zahlreichen seltenen und geschützten Pflanzen und Tieren.
Nachdem 1986 die Planung einer Vordeichung wegen zahlreicher Einsprüche zurückgezogen wurde, erfolgte 1989 ein neuer Vorstoß, das „Industrieerwartungsland“ endlich durch einen Deich zu sichern. Gewerbe und Industrieflächen sollten mindestens 100 ha umfassen. Ein Investor namens „InPark“ wollte einen großen Freizeitpark errichten, ein Plastikparadies mit subtropischem Ambiente.
Um dieses Vorhaben zu verhindern, gründete sich auf Initiative des Diplombiologen Peter Körber, Vorsitzender der NABU- Gruppe Glückstadt (damals noch DBV), die Bürgerinitiative „Pro Natur Glückstädter Spülgebiet“. Auf Grund der massiven Proteste von Naturschützern (DBV, BUND, WWF, Naturschutzverein Uthlande , Landschaftspflegeverein Schellbruch) und der Drohung sämtliche rechtlichen Mittel, einschließlich einer Klage auszuschöpfen, entschloss sich die damalige Landesregierung, einen sogenannten Kompromiss anzubieten: Es sollten nur noch 40 ha Industriefläche und 25 ha für sanften Fremdenverkehr eingedeicht werden und ein ca. 55 ha großer Vorlandrest erhalten bleiben.
Gegen den Widerstand der Naturschutzgruppen, die eine Deichverstärkung auf der alten Trasse vor allem aus Naturschutz- und Küstenschutzgründen für sinnvoller hielten, kam es 1992 zum Planfeststellungsbeschluss. Ein Verbandsklagerecht gab es damals noch nicht, also musste „Pro Natur“ als Pächter einer Baufläche die Klage einreichen. Zahlreiche Bürger unterstützten Pro Natur durch Spenden. Endstation Bundesverwaltungsgericht: Durch einen Trick, nämlich die Herausnahme der Pachtfläche, wurde „Pro Natur“ die Klageberechtigung entzogen. Damit war der Prozess verloren.
1995 wurde das Baufeld abgesteckt, 1996 die Baufeldräumung durchgeführt. 1997 begannen die Deichbauarbeiten, die 2001 abgeschlossen waren. Die Wüstung Nygenstad war damit unerreichbar unter dem neuen Deich verschwunden. Als Ausgleich für den Deichbau wurde die Kleientnahmestelle Herrenfeld festgesetzt (s. Artikel „Teichgebiet Herrenfeld“)
Im Dezember 2000 war es endlich soweit: Es erfolgte die Ausweisung des Naturschutzgebietes „Rhinplate und Elbufer südlich Glückstadt“. Es umfasst insgesamt 460 ha: 12 ha Bielenberger Wäldchen,
ca. 55 ha Vorlandrest, 385 ha Nebenelbe „Kartoffelloch“ einschließlich Rhinplate.
Der Naturraum:
Das Naturschutzgebiet (NSG) „Rhinplate und Elbufer südlich Glückstadt gehört zum FFH-Gebiet DE 2323-392 Elbästuar und zum Netzwerk „Natura 2000“. Die Europäische Union hat zum Erhalt der biologischen Vielfalt zwei Richtlinien erlassen: die Vogelschutzrichtlinie (VRL) über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten und die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie = FFH-RL über die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen. Das Ziel dieser Richtlinien besteht neben dem Artenschutz in der Errichtung und Sicherung eines europaweiten Netzwerkes von Schutzgebieten = „Natura 2000“, in das sowohl Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung nach FFH-RL als auch Vogelschutzgebiet nach VRL integriert werden sollen. Das NSG „Rhinplate und Elbufer südlich Glückstadt“ weist mehrere Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-RL auf.
Der hohe Naturschutzwert dieses Gebietes liegt in der Verzahnung zahlreicher verschiedener Biotoptypen von unmittelbar wasser geprägten bis hin zu trockenen Lebensräumen, die einer Vielzahl von gefährdeten Pflanzen und Tieren als Rückzugsraum dienen.
Die etwa 5 km lange Rhinplate ist eine ursprünglich vom Elbstrom vorgeformte natürliche Sandbank, die zeitweise immer noch überflutet wird. Dem östlichen Ufer und der süd-östlichen Spitze vorgelagert ist eine breite Schlickwattfläche, die wegen ihres hohen Nährstoffgehaltes insbesondere im Winterhalbjahr von zahlreichen Wintergästen aufgesucht wird: Graugänse, Blässgänse, Brandgänse, Krickenten, Pfeifenten u.a. Im breiten Schilfgürtel der Insel brüten zahlreiche Graugänse, daneben Teichrohrsänger, Rohrammer, Sumpfrohrsänger und Rohrweihe. Im Weidengebüsch/ bzw. der Weichholzaue brüten zahlreiche Kleinvögel.
Die Glückstädter Nebenelbe (sogen. Kartoffelloch) trennt die Insel vom Glückstädter Vorland. Sie ist eine der wichtigsten Flachwasserzonen an der schleswig-holsteinischen Unterelbe als Rückzugs- Aufzucht- und Wanderungsgebiet für Rapfen, Finte, Meerneunaugen und den vom Aussterben bedrohten Nordseeschnäpel. Im Winter lassen sich häufig Gänsesäger und Zwergsäger beobachten, daneben natürlich auch die oben erwähnten Gänse und Entenarten.
Auf dem Vorland ist die naturräumliche Gliederung besonders vielgestaltig: Uferzone mit Watt – hier Misch- oder Sandwatt-, Binsen- und Schilfröhricht, anschließend Weichholzaue, Hochstaudenflur am Treibselsaum, danach der sehr große Trockenrasenbereich, der ca. 40 ha umfasst und schließlich die großen Binnenröhrichte und Waldflächen. Misch- oder Sandwatt ist für Nahrung suchende Vögel nicht sehr attraktiv, da es wesentlich ärmer an bodenbewohnenden Organismen ist. Wintergäste halten sich deshalb bevorzugt auf den Wattflächen an der Rhinplate oder auf den Wattflächen am Fähranleger Glückstadt-Wischhafen auf. Hier lassen sie sich ausgezeichnet beobachten.
Die ehemals sehr ausgedehnten Binsenröhrichte sind im Gefolge der Elbvertiefungen stark zurückgegangen, während das Schilfröhricht zugenommen hat. Das Schilfröhricht überwuchert das Binsenröhricht. Grund ist die zunehmende Versandung der Nebenelbe. Ausgebreitet hat sich in den letzten Jahren auch die endemische Stromschmiele (Wibelsschmiele) die nur an der Unterelbe vorkommt.
Im Schilfsaum brüten Teichrohrsänger und Rohrammer und das Kuckucksweibchen findet hier reichlich Nester zur Eiablage.
Die anschließende Hochstaudenflur wird dominiert von der Engelwurz, daneben wächst Mädesüß, Baldrian, Gilbweiderich, und im nährstoffreicheren Treibselsaum Brennnessel, Zaunwinde, Distelarten, Beinwell, bittersüßer Nachtschatten, Kappenhelmkraut, Hohlzahn, Sumpfzist, klebriges Labkraut, Braunwurz usw.
Die Trockenrasenflächen weisen eine besonders hohe Artenvielfalt auf: Die Sandsegge, auch „Soldatensegge oder Nähmaschine Gottes“ genannt ist eine der ersten Pioniere, die magere Sandflächen
besiedeln. Sie verbreitet sich vegetativ durch Wurzelschösslinge. Weitere für Trockenrasen typische Pflanzen sind: Silbergras, Nelkenhaferschmiele, Trespe, behaarte Segge, Sandreitgras Sand-
Ferkelkraut, kleines Habichtskraut, kleiner Sauerampfer, Sandnachtkerze, Bauernsenf, Ackerfilzkraut, kleines Filzkraut, Sandglöckchen (Jasione), Sandstrohblume, scharfer Mauerpfeffer,
Tausendgüldenkraut und viele andere.
Eine Besonderheit sind die verschiedenen Moose und Flechten.
Für Insekten und Käfer sind die Flächen ein Eldorado: Sandbiene, Sandwespe, Dünen-Sandlaufkäfer, zahlreiche Heuschreckenarten finden einen geeigneten Lebensraum. An Pappelschösslingen kann man den roten Pappelkäfer beobachten.
Bodenbrüter wie Kiebitz, Feldlerche und Sandregenpfeifer konnten in den letzten Jahren nicht mehr beobachtet werden. Wahrscheinlich liegt es an der starken Ausbreitung von Sandreitgras, das den Vögeln die Sicht nimmt. Abgesehen davon hat sich durch den Nährstoffeintrag aus der Luft eine fast geschlossene Pflanzendecke gebildet, sodass die für den Sandregenpfeifer so wichtigen freien Sandflächen nur noch an wenigen Stellen anzutreffen sind.
Brutvögel in den Waldflächen bzw. den Weidengebüschen sind Zilp-Zalp, Fitis, Buchfink, Rotkehlchen, Zaunkönig, Blau- und Kohlmeisen Grasmückenarten und auffallend zahlreiche Baumpieper, auch den Feldschwirl kann man gelegentlich hören. Erwähnenswert als „Bewohner“ des NSG sind Rehe, Hasen und Füchse. Jagdausübung ist laut NSG-Verordnung erlaubt.
Das Bielenberger Wäldchen umfasst ca. 12 ha. Es ist einer der letzten Tide-Auwälder im Brackwasserbereich. Durch Ebbe und Flut ändert sich seine Artenzusammensetzung ständig. Dabei wird entweder
Sand eingespült oder auch abtransportiert, sodass große alte Pappeln, Eschen und Erlern immer wieder umstürzen und z. Teil neu austreiben. In sumpfigen Senken wachsen im Frühjahr Hunderte von
Sumpfdotterblumen. Totholz bleibt in der Regel liegen, sofern es nicht den Landesschutzdeich gefährdet. Dadurch gewinnt das Wäldchen einen urwaldartigen Aspekt. Einige Photos mögen dies
verdeutlichen.
Pflegemaßnahmen:
Die allmähliche Nährstoffanreicherung in den Trockenrasenflächen hat zur Überwucherung mit Sandreitgras und dichten verfilzten Sandseggenarealen geführt, sodass freie Sandflächen nur noch
vereinzelt anzutreffen sind. Daneben kommt es durch Selbstaussaat von Pappeln und Birken immer wieder zu beginnender Waldbildung im Trockenrasenbereich. „Entkusseln“, Mähen und Fräsen einzelner
Flächen reichten auf Dauer nicht aus, um das Problem zu lösen. Deshalb wird seit dem letzten Jahr eine Winterbeweidung mit Heidschnucken durchgeführt. Durch diese Maßnahme soll die Artenvielfalt
wieder zunehmen und einer Verbuschung der offenen Flächen Einhalt geboten werden. Eine Ausbreitung des Neophyten "Japanischer Staudenknöterich", der sich vor einigen Jahren im Treibselsaum
angesiedelt hatte, konnte durch mehrmalige Mahd (bis zu sechsmal/Jahr) verhindert werden.
Probleme:
Neben der oben beschriebenen Nährstoffanreicherung stellt die Müllablagerung im Treibselsaum ein erhebliches Problem dar. Plastik- und Glasflaschen, Kanister aus Plastik und Metall, Neonröhren, Elektroschrott und leider sehr viele Glasscherben, die im letzten Winter zu Verletzungen der Schafe führten, müssen jedes Jahr im Herbst eingesammelt werden.
Obwohl laut Naturschutzverordnung ein Betretungsverbot besteht gibt es uneinsichtige Zeitgenossen, die z.B. Ihre Hunde ohne Leine über die Wattflächen jagen lassen und einige Touristen, die unbedingt im Bielenberger Wäldchen Grillfeste veranstalten müssen und danach ihren gesamten Müll liegen lassen. In 2008 hat es mehrfach Brände im NSG gegeben, wahrscheinlich hervorgerufen durch Brandstiftung, sodass die Feuerwehr ausrücken musste.
Nicht unerwähnt darf ein Problem bleiben, das v.a. den Jägern Ärger macht: mutwillig zerstörte Hochsitze. Es wurde jetzt Anzeige erstattet.
Betreuung, Führungen:
Gebietsbetreuer ist die Untere Naturschutzbehörde des Kreises Steinburg, Tel. 04821/69245, Ansprechpartner vor Ort und Angehörige des Naturschutzdienstes sind die NABU- Mitglieder :
Dr. Sybille Petersen, Tel. 04124 / 2638
Heiko Schlüter, Tel. 04124 / 3036
Die Naturschutz-Verordnung für das NSG „Rhinplate und Elbufer südlich Glückstadt“ erlaubt nur einzelne Führungen. Die Termine werden in der Presse und unter www.nabu-glueckstadt.de bekannt
gegeben sowie im Programmheft der Volkshochschule Glückstadt veröffentlicht.
Eigentümer: Stiftung Naturschutz und Land Schleswig-Holstein
Die Stiftung Naturschutz und Land Schleswig-Holstein als Stiftung des Öffentlichen Rechts hat vor allem folgende Aufgaben: Geeignete Flächen für den Naturschutz zu erwerben oder langfristig anzupachten. Die Natur dieser Flächen zu schützen und im Sinne des Naturschutzes zu entwickeln. Andere Träger bei diesem Vorhaben zu fördern.
Diese Position ist auch der Treffpunkt für unsere verschiedenen Veranstaltungen im NSG.